Lesedauer: 2,5 Minuten
Natürliche Ökosysteme zeichnen sich durch eine hohe Artenvielfalt und Interaktion der Organismen aus. Sie bestehen aus einer Vielzahl von Tier-, Pflanzen- und Mikroorganismenarten, die miteinander in Wechselwirkung stehen und ein komplexes Netzwerk von Nahrungsketten und Stoffkreisläufen bilden. Die genetische Vielfalt in natürlichen Ökosystemen ermöglicht Anpassungen an Veränderungen in der Umgebung und sorgt für Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressfaktoren wie Dürren oder Schädlingsbefall.
Eine Erhöhung der Biodiversität in Agrarlandschaften kann dazu beitragen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, indem Feinde von Schädlingen angelockt, neue Habitate geschaffen werden und eine natürliche Regulation entsteht. Außerdem steigt die Bodengesundheit durch eine verbesserte Nährstoffaufnahme und -bildung sowie eine günstige Bodenstruktur und -qualität.
Die Praxis des Mischfruchtanbaus kann zu einer Reduktion von Unkraut-, Schädlings- und Krankheitsbefall führen und die Ressourcenverfügbarkeit für die Nutzpflanzen erhöhen. Meta-Analysen, die weltweite Daten zur Unterdrückung von Krankheiten in Mischkulturen untersucht haben, konnten bei Sortenmischungen eine durchschnittliche Verringerung um 50 % feststellen. Die besten Ergebnisse wurden erzielt, wenn die Hauptart in Reihen und die Begleitart in Streifen angebaut wurde. Verschiedene Mechanismen sind für diese Ergebnisse verantwortlich:
Wirtsverdünnung: Durch den größeren Abstand und die verringerte Dichte der Wirtspflanzen breiten sich Schadorganismen langsamer aus.
Barriereeffekte können auftreten, wenn eine größere Pflanze Sporen abfängt, die ansonsten die Wirtspflanze infizieren würden.
Durch Veränderungen des Mikroklimas kann die Infektionsfähigkeit minimiert werden.
Induzierte Resistenz ist eine Immunreaktion von Pflanzen, ausgelöst durch nicht-pathogene Mikroorganismen, die die Widerstandsfähigkeit steigern.
Physiologische und morphologische Veränderungen bei Pflanzen durch eine andere Ressourcen-Umgebung, die die Krankheitsentwicklung beeinflussen kann.
Bottom-up-Effekte, die auf den Eigenschaften der etablierten Pflanzengemeinschaften beruhen, und Top-down-Effekte, wie das Anlocken natürlicher Feinde, tragen zu einer Schädlingsbekämpfung bei. Metastudien belegen, dass durch eine Erhöhung der Vielfalt und eine damit einhergehende Zunahme an Fressfeinden Ernteschäden um 23 % verringert werden können. Je nach Zusammensetzung kann pflanzenschädigenden Insekten die Lokalisierung der Wirtspflanzen durch die Aussonderung visueller sowie olfaktorischer Reize oder insektenabwehrender Stoffe erschwert werden. Die Ergebnisse zeigen, dass der Mischfruchtanbau eine vielversprechende Strategie zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln sein kann.
Blühstreifen, die darauf abzielen, natürliche Feinde von Schädlingen anzulocken, können einen positiven Effekt auf die Größe von Schädlingspopulationen haben. Für optimale Ergebnisse ist es wichtig, den gesamten Lebenszyklus der Insekten bei der Zusammenstellung der Mischungen zu berücksichtigen und Kriterien wie Attraktivität, Quantität und Qualität der Pflanzenzusammensetzungen sowie einen angepassten Blühzeitpunkt zu beachten. Insbesondere mehrjährige Mischungen haben einen großen Mehrwert, da durch sie dauerhafte Habitatstrukturen etabliert werden können, die die Bestäuberleistung langfristig erhöhen. Eine Studie in der Schweiz hat gezeigt, dass Blühstreifen, die auf die Bedürfnisse von Schwebfliegen, Marienkäfer und Florfliegen abgestimmt waren, zu einer durchschnittlichen Reduktion der Blattlausdichte um 75 % in Kartoffelkulturen führten.
Die Zusammensetzung von Blühmischungen spielt eine zentrale Rolle für deren Effektivität und Erfolg bei der Anlockung von natürlichen Feinden von Schädlingen. Zusätzlich sollten außerdem ausreichend Strukturelemente in der Landschaft vorhanden sein, die dauerhafte Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten für die Tiere bieten. Die positive Wirkung von Blühstreifen wurde bereits in verschiedenen Studien nachgewiesen, dennoch sind weitere Untersuchungen notwendig, um konkrete Angaben zur Zusammensetzung der Blühmischungen und deren Wirkungen auf unterschiedliche Kulturen zu liefern. Nur so können gezielte Empfehlungen für Landwirte erarbeitet werden, um eine nachhaltige und effektive Schädlingsbekämpfung zu fördern.
Durch das Anlegen von Hecken wird die Landschaftsstruktur vielfältiger und neue Habitatstrukturen entstehen. Als natürliche Lebensräume für verschiedene Nützlinge wie Vögel, Insekten oder Fledermäuse können sie als Lebensraumtyp das Schädlingsmanagement positiv beeinflussen und den Bedarf an Pflanzenschutzmitteln reduzieren. Es ist allerdings schwer, die Wirkung von Hecken auf die Einsparungen zu quantifizieren, da sie von verschiedenen Faktoren abhängt, wie zum Beispiel der Größe und Anordnung der Felder, den angebauten Kulturen, der Zusammensetzung und Auswahl der Arten in den Heckenstrukturen sowie bereits bestehenden Populationen und angrenzenden Lebensraumtypen. Trotzdem wird das Anlegen von Hecken als eine vielversprechende Strategie angesehen, um die Abhängigkeit von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren und gleichzeitig die Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen in der Agrarlandschaft zu erhöhen.
Verschiedene Untersuchungen bestätigen die Wirksamkeit von biodiversitätsfördernden Maßnahmen zur Einsparung von Pflanzenschutzmitteln, wenngleich der Einsatz mit gewissen Risiken und Unsicherheiten verbunden ist, die eine faire Entlohnung verdienen. Langfristig ist die Diversifizierung der Agrarlandschaft jedoch mit zahlreichen Vorteilen für die Umwelt, aber auch für landwirtschaftliche Betriebe verbunden und liefert ein wichtiges Werkzeug, um gesellschaftspolitischen Zielen und Forderungen nachzukommen.