Züchtungstechnologien - Chance oder Risiko?

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Die Pflanzenzüchtung steht durch den steigenden Nahrungsmittelbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung neuen Herausforderungen gegenüber. Sowohl eine Steigerung der Produktionsmenge als auch eine Verringerung der Umweltauswirkungen der Produktion sind in Zukunft notwendig. Dem stehen Pflanzenkrankheiten entgegen, die nicht nur zu einer Verringerung der Erntemengen führen, sondern auch die Produktqualität beeinträchtigen. Pflanzenkrankheiten werden derzeit vor allem durch chemische Pflanzenschutzmittel bekämpft. Diese stehen allerdings durch mögliche Auswirkungen auf die Umwelt zunehmend in der Kritik. Angesichts dessen erscheint die Züchtung resistenter Pflanzen eine wirksame und umweltfreundliche Strategie zu sein, um in Zukunft mit Pflanzenkrankheiten umzugehen. Die neuen Züchtungstechnologien verringern den Zeit- und Arbeitsaufwand zur Erzeugung neuer Sorten erheblich und sind zudem deutlich präziser.

 

Überblick über die neuen Züchtungstechnologien

Die neuen Züchtungstechnologien haben gemeinsam, dass sie einen gentechnischen Schritt nutzen, aber zu Produkten führen, die keine fremden Gene enthalten. Eine Ausnahme hiervon stellt die Genom-Editierung zum Einfügen von Transgenen, also Genen, die nicht aus dem primären Genpool der Zielpflanzenart stammen, dar. Neu an diesen Technologien ist, dass Gene an einer präzisen Stelle eingefügt werden können. Derzeit ist die CRISPR/Cas9-Technologie am vielversprechendsten. Sie gehört zu den Genom-Editierungsverfahren, bei denen Sequenz-spezifische Nukleotide (SSN) verwendet werden. SSN sind Proteine, die an einer vordefinierten Ziel-DNA-Sequenz binden und einen Bruch des DNA-Doppelstrangs hervorrufen. Dieser Doppelstrangbruch kann auf verschiedene Arten repariert werden. CRISPR/Cas9 bietet somit verschiedene Möglichkeiten zur Veränderung der DNA. Dazu gehören nicht nur das Ausschalten ganzer Gene, sondern auch die gezielte Aktivierung einzelner Gene oder weitere präzise Modifikationen. Es ergeben sich vielfältige Möglichkeiten zur Nutzung in landwirtschaftlichen Kulturen. Nicht nur der Nährstoffgehalt der Pflanzen, sondern auch die Trockenheitstoleranz sowie die Resistenz gegen Krankheiten können verbessert werden.

 

Krankheitsresistenz durch CRISPR/Cas9

Insbesondere mithilfe der CRISPR/Cas9-Technologie bieten sich vielfältige Möglichkeiten zur Etablierung einer Resistenz gegen Bakterien, Pilze und Viren in zahlreichen Kulturarten. Beispiele sind eine Resistenz gegen die DNA-Viruserkrankung Bean yellow dwarf virus (BeYDV) in Tabak, gegen die RNA-Viruserkrankung Turnip mosaic virus (TuMV) in Arabidopsis sowie gegen die bakterielle Fäule in Reis (Xanthomonas oryzae pv. oryzae) und gegen Zitrus-Krebs (Xanthomonas citri subsp. citri). Eine Resistenz gegen pilzliche Erreger konnte in Reis gegen den Reisbrand (Magnaporthe oryzae) sowie im Weizen gegen Echten Mehltau (Blumeria graminis f. sp. tritici) eingebracht werden.

Wie auch das Beispiel des Echten Mehltaus im Weizen zeigt, liegt die Schwäche der traditionell gezüchteten resistenten Sorten häufig darin, dass sie nur eine Resistenz gegen ein spezifisches Isolat des Erregers aufweisen. Diese monogenen Resistenzen können durch den Erreger schnell überwunden werden und stellen somit keine langfristige Lösung im Umgang mit der Krankheit im praktischen Anbau dar. Durch die Genom-Editierung ist es nicht nur möglich, einzelne Resistenzgene, sondern auch mehrere Resistenzgene in Kombination einzubringen und so eine breitere und dauerhaftere Resistenz zu erzeugen. Zudem erfolgt dieser Prozess deutlich schneller und präziser als in der traditionellen Resistenzzüchtung und eröffnet die Möglichkeit, bereits bestehende Sorten mit guten agronomischen Leistungen zusätzlich mit einer Resistenz zu versehen und so schneller auf sich ergebende Anbauprobleme zu reagieren.

 

Regulierung der neuen Züchtungstechnologien

Die Rechtslage bezüglich der biologischen Sicherheit von Produkten der neuen Pflanzenzüchtungstechnologien ist komplex, da sowohl die Technologien als auch die Auswirkungen der erzielten Veränderungen sehr unterschiedlich sind. Zum Teil lassen sich die Endprodukte nicht von denen der traditionellen Pflanzenzüchtung unterscheiden. In der EU fallen die Produkte der neuen Züchtungstechnologien unter die Verordnung für gentechnisch-veränderte Organismen. Im Gegensatz zum prozessbasierten Ansatz der EU, wird in Kanada das entstandene Produkt reguliert. Dort ist also entscheidend, welche Merkmale das Produkt aufweist und nicht, ob es durch neue oder traditionelle Züchtungstechnologien entstanden ist. In den USA gilt bezüglich der Genom-editierten Pflanzen, wie bei allen biotechnologisch hergestellten Pflanzen, dass nur jene besonderen Regulierungen unterliegen, die ein Pflanzenschädlingsrisiko darstellen, die ein Pestizidmerkmal aufweisen oder Risiken für die Lebensmittelsicherheit darstellen. Alle anderen Produkte können frei auf den Markt gelangen.

 

Chancen und Risiken

Die Anwendung neuer Züchtungstechnologien wird teils kritisch gesehen. Daher lohnt es sich, die Methode mit der traditioneller Pflanzenzüchtung zu vergleichen, um mögliche Risiken aufzuzeigen. Die Genom-Editierung zeichnet sich durch drei mögliche Auswirkungen auf das Pflanzengenom aus. So können Gene ausgeschaltet werden, Allele in ein anderes umgewandelt werden und Gene an einer bestimmten Stelle im Genom eingefügt werden. Das Ausschalten von Genen ist auch in Pflanzenpopulationen allgegenwärtig, in der Genom-Editierung kann dies nur präziser und somit effizienter umgesetzt werden. Auch die Umwandlung eines Allels in ein anderes ist in der traditionellen Pflanzenzüchtung im Rahmen von Rückkreuzungen üblich. Bei Rückkreuzungen werden wiederholt Kreuzungen mit einer ausgewählten Elternpflanze durchgeführt, um ein bestimmtes Merkmal einzubringen. Der Vorteil der Genom-Editierung ist, dass einzelne Gene ausgetauscht werden können und nicht nur eine Gruppe gekoppelter Gene, die zusammen vererbt werden, wie in den Rückkreuzungen. Auch die Einführung von Genen in Sorten ist üblich in der traditionellen Pflanzenzüchtung. Der Unterschied ist, dass über die Genom-Editierung auch Gene eingefügt werden können, die aus Pflanzen stammen, die üblicherweise nicht mit der bearbeiteten Pflanze gekreuzt werden können.

Es zeigt sich also, dass über die Genom-Editierung Veränderungen erzeugt werden, die auch in der Natur oder der traditionellen Pflanzenzüchtung vorkommen. Der große Vorteil der Genom-Editierung ist allerdings, dass der Zufall aus dem Prozess entfernt wird und so zielgerichtet Änderungen vorgenommen werden können. Auch unerwünschte Veränderungen können nicht als Besonderheit der Genom-Editierung angesehen werden, da die größte Quelle für diese sogenannten Off-Target-Effekte die traditionelle Pflanzenzüchtung bleibt.

Angesichts der Tatsache, dass in jeder Zelle pro Stunde zwei Doppelstrangbrüche auftreten, ist die Möglichkeit, dass die Mutationen, die durch die Reparatur von Doppelstrangbrüchen entstehen, zu schädlichen Pflanzen führen, vernachlässigbar. Andernfalls würde dies auch in der Natur ohne menschliches Zutun stattfinden. Bei Pflanzen mit großem Genom, wie Weizen, bedeutet dies, dass es auf einem Feld keine zwei Pflanzen mit dem gleichen Genom gibt. Die möglichen Risiken der Genom-Editierung liegen also nicht in dem Prozess an sich, sondern im Endprodukt. Aus dieser Perspektive wäre eine produktbasierte Regulierung eine sinnvolle Alternative, um die Anwendung der Genom-Editierung zu ermöglichen und gezielt die Insertion von Toxinen oder Allergenen zu regulieren und nicht wie bisher den Prozess.

 

Fazit

 

Zusammenfassend bieten die neuen Züchtungstechnologien ein breites Feld an Möglichkeiten, um auch in Zukunft durch leistungsfähige Pflanzen ausreichend hohe Erträge sicherstellen zu können. Insbesondere im Bereich der Krankheitsresistenz gibt es bereits zahlreiche Beispiele für eine erfolgreiche Anwendung, zum Beispiel der CRISPR/Cas9-Technologie. Diese Beispiele betreffen eine Vielzahl an Kulturarten und Krankheitserreger, wie Bakterien, Pilze und Viren. Die neuen Technologien überzeugen durch die deutlich größere Präzision und Effizienz in der Einbringung von Resistenzgenen und ermöglichen insbesondere auch die Ergänzung bereits bestehender, leistungsstarker Sorten mit einer Krankheitsresistenz. Es ist zudem einfacher möglich, mehrere Resistenzgene miteinander zu kombinieren und schneller auf sich verändernde Umweltbedingungen zu reagieren und so auch langfristig eine Krankheitsresistenz zu gewährleisten. Derzeit stehen einer breiten Anwendung der Technologien jedoch strenge Regulierungen gegenüber, die den praktischen Anbau in der EU verhindern.