Ökolandbau als Lösung für Ernährungssicherheit und...

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In den letzten Jahrzehnten konnte die Produktivität der Landwirtschaft durch Düngemittel, Hochertragssorten, Pflanzenschutzmittel und Bewässerung gesteigert werden. Nichtsdestotrotz sind immer noch, vor allem in Afrika und Asien, 800 Millionen Menschen unterernährt. Da die Nachfrage nach Nahrungsmitteln weiter ansteigen wird, wird angenommen, dass die landwirtschaftliche Produktion bis zum Jahr 2050 um weitere 60 bis 100 Prozent gesteigert werden muss. Dem gegenüber stehen begrenzte Ressourcen und Umweltprobleme, die mit einer intensivierten Nutzung einhergehen. Auch wenn der Ökolandbau gemeinhin als Musterlösung für eine nachhaltige Landwirtschaft gesehen wird, gehen die Meinungen in der Wissenschaft zur Rolle der ökologischen Landwirtschaft auseinander. Der Review-Artikel “Organic Agriculture, Food Security and the Environment” von Dr. Eva-Marie Meemken und Prof. Dr. Matin Qaim aus dem Jahr 2018 gibt einen Überblick über die derzeitigen Erkenntnisse zu den globalen Chancen und Herausforderungen des Ökolandbaus bezüglich der weltweiten Ernährungssicherheit und den Umweltwirkungen. In diesem Artikel sollen die Ergebnisse dieser Betrachtungen vorgestellt werden.

 

Ausgangssituation

Derzeit werden etwa ein Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen ökologisch bewirtschaftet. Flächenmäßig machen Australien, Argentinien, Spanien und die USA den größten Anteil an ökologisch bewirtschafteten Flächen aus. Trotzdem leben 88 % der Biolandwirte in Ländern des globalen Südens. Sie produzieren vor allem Exportwaren, wie Kaffee oder Tee, da die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln vor allem in Nordamerika und Europa zugenommen hat. 

 

Ertragseffekte

Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass die Erträge im ökologischen Anbau je nach Kultur um 19 bis 25 Prozent geringer ausfallen als im konventionellen Anbau. Mindererträge gehen jedoch nicht nur auf die Anbauweise zurück, sondern auch auf die Umweltbedingungen oder die mangelnde Erfahrung des Landwirts. Die Erträge sind auch von den angewandten Technologien abhängig. Ohne moderne Technik können die Erträge der ökologischen und konventionellen Landwirtschaft gleich hoch sein. Dort, wo moderne Technologien und eine gute Ausbildung der Landwirte Standard sind, sind die ökologischen Erträge geringer als die konventionellen.

Die Nährstoffversorgung ist ein bestimmender Faktor. Sie kann jedoch über organische Dünger nur begrenzt gesteuert werden. Häufig sind Stickstoff und Phosphor die limitierenden Faktoren. Eine weitere Gefahr sind Pflanzenkrankheiten, Unkräuter und Schadinsekten, die im ökologischen Anbau weniger gut bekämpft werden können. Die ökologische Landwirtschaft hat jedoch auch Vorteile: Durch eine verbesserte Wasserhaltekapazität und höhere Infiltrationsraten kann die Ertragsstabilität unter trockenen Bedingungen verbessert werden. Insgesamt erfordert der Ökolandbau mehr Kenntnisse des Landwirts und ist stärker vom Anbaumanegement abhängig. 

 

Umwelteffekte

Allgemein wird angenommen, dass der Ökolandbau weniger negative Effekte auf die Umwelt hat als der konventionelle Anbau. Aufgrund geringerer Erträge haben ökologische Systeme jedoch eine geringere Landnutzungseffizienz. Die Tierhaltung hat einen längeren Produktionszyklus und weist geringere Wachstumsraten auf. Daher werden größere Mengen Futter und Land benötigt. Eine großflächige Umstellung auf Ökolandbau würde bedeuten, dass mehr Flächen für die landwirtschaftliche Produktion genutzt werden müssen. 

Der ökologische Landbau weist im Vergleich zum konventionellen Anbau einen geringeren Energieverbrauch pro Einheit Land auf und in geringerem Ausmaß auch pro Einheit Output, da keine Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel verwendet werden. Betrachtet man die Treibhausgasemissionen, sind diese nur bezogen auf die Einheit Land, aber nicht auf die Einheit Output im Ökolandbau geringer. Durch die geringeren Stickstoffeinträge sind die Lachgasemissionen im Ökolandbau geringer, in der ökologischen Tierhaltung entsteht jedoch durch die länger dauernde Haltung mehr Dung pro Einheit Fleisch. Dies führt zu höheren Methan- und Lachgasemissionen. Das Potential zur Kohlenstofffixierung ist bei einer ökologischen Bewirtschaftung hingegen höher. Zusammengefasst kann die ökologische Landwirtschaft aber nicht als prinzipiell klimafreundlicher angesehen werden.

Ein weiterer wichtiger Umweltaspekt ist die Bodenqualität. Durch Misswirtschaft sind viele Millionen Hektar fruchtbares Ackerland ungeeignet für die landwirtschaftliche Nutzung geworden. Ökologische Praktiken, wie das Einbringen von organischem Material und längere, diverse Fruchtfolgen können Bodenerosion vermindern und den Verlust der Bodenfruchtbarkeit verhindern. Zudem wird durch den höheren Gehalt an organischem Material im Boden die Aktivität des Bodenlebens erhöht. Mit Blick auf die Biodiversität ist die ökologische der konventionellen Landwirtschaft überlegen und deutlich mehr Arten können auf den Flächen angetroffen werden. Allerdings gehen durch den höheren Flächenbedarf auch Habitate verloren. Insgesamt können durch den Ökolandbau vor allem lokale Umweltprobleme, wie die Degradation der Böden gelöst werden, nicht jedoch globale Probleme, wie der Klimawandel oder Landnutzungsänderungen. 

 

Ernährungssicherheit

Angesichts der steigenden Weltbevölkerung müssen in Zukunft mehr Lebensmittel produziert werden. Das Problem des Ökolandbaus sind die geringeren Erträge, verglichen zur konventionellen Landwirtschaft, vor allem, wenn den Landwirten Erfahrungen im Anbau fehlen. Ein weiteres Problem einer großflächigen Umstellung auf eine ökologische Bewirtschaftung ist die Nährstoffversorgung. Neben dem Anbau von Leguminosen ist der Ökolandbau auf Tierdung angewiesen. Um alle Felder ausreichend zu versorgen, müssten die Tierbestände gesteigert werden. Dies wäre allerdings keine klimafreundliche Lösung. Neben der Ertragssteigerung und der Ertragssicherheit spielt daher die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung eine wichtige Rolle. Eine Kombination mit einem angepassten Konsum von tierischen Produkten wäre effizient, passt jedoch nicht zu dem erhöhten Bedarf an organischem Dünger nach einer Ausweitung des Ökolandbaus. Ein weiteres Problem sind die höheren Preise für Bio-Lebensmittel, die vor allem in Ländern des globalen Südens zu einer Abnahme der Ernährungssicherheit führen würden.

 

Sozioökonomische Situation der Landwirte

Im Durchschnitt ist die ökologische Landwirtschaft um 22 bis 35 Prozent profitabler als die konventionelle Landwirtschaft. Die Voraussetzung dafür sind jedoch ausreichend hohe Preise. Im Schnitt liegen die Preisaufschläge gegenüber den konventionellen Preisen zwischen sechs und 44 Prozent. Dies ist oft nur durch den Export in wohlhabende Länder möglich, in denen Konsumenten bereit und in der Lage sind, höhere Preise zu zahlen. Bedacht werden muss auch, dass in der Regel nicht alle Bio-Landwirte ihre gesamten Produkte auf zertifizierten Märkten verkaufen können, da zum Beispiel die Qualitätsanforderungen nicht erfüllt werden konnten oder die produzierten Mengen die Kapazität der Bio-Organisationen übersteigen. 

Zudem sind mit der Umstellung auf die ökologische Landwirtschaft oft Investitionen verbunden und auch während der dreijährigen Umstellungsphase entstehen versunkene Kosten, da noch keine höheren Verkaufspreise erzielt werden können und die Erträge aufgrund des Mangels an Erfahrungen noch geringer ausfallen. Vor allem in Ländern des globalen Südens profitieren die Landwirte jedoch von Unterstützungen durch Bio-Organisationen in Form von Kursen, Krediten oder gemeinsamen Vermarktungsmöglichkeiten. Bei steigendem Einkommen werden die Haushalte zudem in die Lage versetzt, stärker in Humankapital zu investieren. 

 

Fazit

 

Insgesamt haben Meemken und Qaim in ihrem Paper deutlich herausgestellt, dass der Ökolandbau allein nicht die globale Musterlösung einer nachhaltigen Landwirtschaft ist, die Ernährungssicherheit ermöglicht. Je nach Situation kann die Umstellung auf eine ökologische Bewirtschaftung sinnvoll sein und positive Auswirkungen auf die Umwelt haben. Es ist jedoch wichtig, den Umwelt-Fußabdruck der gesamten Landwirtschaft zu verringern und nicht nur auf dem Nischenmarkt des Ökolandbaus. Dies erfordert neue Technologien und Methoden, angepasst an die jeweiligen Standorte. Es wird deutlich, dass beide Produktionsrichtungen nicht optimal sind und in Zukunft noch effizienter und umweltfreundlicher gestaltet werden müssen. Ein gemeinsamer Weg, mit Kombinationen der jeweiligen Methoden, könnte in Zukunft eine nachhaltige Landbewirtschaftung und die Ernährung der Weltbevölkerung sicherstellen. Eine Möglichkeit, die wirksamsten Methoden der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft zu kombinieren, ist auch die regenerative Landwirtschaft.