Effektivität von biologischem Pflanzenschutz

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Die Farm-to-Fork-Strategie der Europäischen Union zielt auf eine deutliche Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes bis zum Jahr 2030 ab. Die Landwirtschaft der Zukunft wird daher mit deutlich weniger Agrochemikalien auskommen müssen. Biologische Präparate und Verfahren werden hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. In diesem Artikel werden einige Beispiele aus verschiedenen Gruppen der biologischen Pflanzenschutzmittel mit Wirkungsgraden und Kosten vorgestellt.

 

Wie funktionieren biologische Pflanzenschutzmittel?

Voraussetzung für den erfolgreichen biologischen Pflanzenschutz ist die funktionelle Biodiversität. Das bedeutet, dass intakte Agrarökosysteme mit einer reichhaltigen Biodiversität bereits resilient sind und ein hohes Potenzial zur Selbstregulierung von Schadorganismen haben sollten. Biologische Pflanzenschutzmittel entfalten ihre Wirkung erst im System mit vorbeugenden Maßnahmen im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes, wie zum Beispiel Resistenzzüchtung und Sortenwahl, kulturtechnische Maßnahmen einschließlich Fruchtwechsel und angepasste Düngestrategien sowie Nützlingsförderung.
Viele biologische Pflanzenschutzmittel sind relativ instabil und werden dementsprechend schnell abgebaut. Diese Eigenschaft ist aus Sicht des Umweltschutzes erwünscht, verlangt aber erhöhte Kenntnisse des Anwenders. Es muss die bestmögliche Applikationstechnik zum richtigen Zeitpunkt für die Ausbringung angewendet werden, um gute Ergebnisse zu erzielen.

 

Pflanzliche Öle

Ein bekanntes Beispiel für den biologischen Pflanzenschutz ist der Wirkstoff aus dem Öl des Neembaums. Die Neem-Präparate enthalten den reinen Wirkstoff Azadirachtin aus natürlichem Neem-Kern-Extrakt. Nach Ausbringung wird er in der Pflanze teilsystemisch transportiert und von den Schädlingen durch ihre Saug- und Fraßtätigkeit aufgenommen. Die Schadorganismen stellen ihre Nahrungsaufnahme ein, wodurch die Entwicklung und Vermehrung gestoppt werden.

Eingesetz als Pflanzenschutzmittel NeemAzal-T/S (Neemöl 10 g/l Azadirachtin, ca. 55€ /l) kann das Neemöl bei einer Aufwandmenge von 2,5 l auf 400 Liter Wasser pro Hektar bei einem frühzeitigen Einsatz gegen das erste und zweite Larvenstadium des Kartoffelkäfers zu einer erfolgreichen Regulierung führen. Bezogen auf den geschätzten Blattflächenverlust durch den Kartoffelkäferfraß konnte ein Wirkungsgrad von 82 % erreicht werden.

Je älter die Larven sind, desto höher sind die erforderlichen Aufwandmengen und die Notwendigkeit von Wiederholungsspritzungen. Da das Mittel nur wenige Tage nach der Ausbringung wirksam bleibt, kommt der Festlegung des optimalen Spritzzeitpunktes zentrale Bedeutung zu.

 

Pflanzenextrakte

Die ethanolischen Pflanzenextrakte aus Salbei und Süßholz können in Kombination mit einem mikrobiellen Präparat den Befall von Falschem Mehltau an Zwiebeln unter kontrollierten Bedingungen im Gewächshaus deutlich vermindern. Auch im Freiland konnten bei niedrigem Befallsdruck beziehungsweise bei mittel anfälliger Sorte Wirkungsgrade von über 70 % erzielt werden. Allerdings ist der Wirkungsgrad stark abhängig von der Sortenanfälligkeit und der Befallsentwicklung. Bei hohem und sehr hohem Befallsdruck ist die Wirkung entweder stark schwankend oder fehlt vollständig. Die Präparate zeigen eine gute protektive, jedoch keine kurative Wirkung.

Auch in einer weiteren Studie zeigte der Extrakt aus Süßholz gegenüber Falschem Mehltau an Salat im Gewächshaus zufriedenstellende Behandlungserfolge. Im Feld konnte jedoch keine sichere Wirkung erzielt werden. Weitere Forschungsarbeiten sind erforderlich, um durch geeignete Formulierungen die Praxisanwendung zu etablieren und eine Anwendung in verschiedenen Kulturen zur Regulierung Falscher Mehltaupilze zu ermöglichen.

 

Nützlinge 

Der Maiszünsler Ostrinia nubilalis ist besonders in Süddeutschland einer der wichtigsten Schädlinge im Mais. Schlupfwespen der Gattung Trichogramma sind weltweit verbreitet und wichtige Eiparasitoide des Maiszünslers. In Deutschland kommt Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle zu, mit mehr als 30.000 Hektar (Deutschland: 32.000 Hektar) findet dort der Nützlingseinsatz mit Trichogramma-Schlupfwespen besonders intensiv statt.
Einen wesentlichen Anteil an der Steigerung der Einsatzfläche hatte die Weiterentwicklung der Ausbringungstechnik. Inzwischen werden sowohl Trichogramma-Einheiten zum Hängen als auch zum Werfen als Kapsel angeboten. In der Regel werden 100 Kapseln mit bis zu 1000 parasitierten Eiern pro Hektar verwendet. Es ist möglich, diese mit umgebauten Traktoren und dank neuer technischer Ausbringungsverfahren mit Drohnen zu verteilen. So ist die Ausbringung auch auf großen Maisflächen möglich.

Untersuchungen im Rahmen des EU-Projektes „ERBIC“ in der Schweiz zeigten deutlich, dass der Einsatz von Trichogramma-Schlupfwespen nur ein geringes Risiko für die Umwelt darstellt. Schon drei Wochen nach den Freilassungen ist kaum mehr ein Nachweis möglich. Dabei erreicht der Trichogramma-Einsatz Wirkungsgrade von bis zu 80 %. Damit liegt das Trichogramma-Verfahren im mehrjährigen Vergleich nur knapp 10 % unter den Wirkungsgraden der chemischen Pflanzenschutzmittel.

 

Insektenpathogene Mikroorganismen

Ein weiterer Ansatz ist der Einsatz von Viren als mögliche Alternative zur Bekämpfung von Schadorganismen. Sie besitzen als Krankheitserreger bei Insekten gegenüber anderen biologischen Gegenspielern unter anderem den Vorteil einer hohen Selektivität und Spezifität, da sie in der Regel nur eine Wirtsart infizieren. Hinzu kommt, dass nach bisherigen Kenntnissen keine Gefährdung für Pflanzen, Tiere, Menschen und des Grundwassers besteht, da sie natürliche Bestandteile jeder Biozönose sind. Allen voran steht das Apfelwickler-Granulovirus (Cp-GV), das den Befall des Apfels durch den Apfelwickler verhindert. Dieses biologische Mittel wird allein in Deutschland auf mehr als 10.000 Hektar Fläche eingesetzt. Die Apfelbäume werden im Frühjahr behandelt, wenn die Larven noch recht jung und klein sind und sich noch nicht in den Apfel eingebohrt haben.

Bei einem weiteren Beispiel konnten bei der Bekämpfung von Mamestra brassicae an Kohl mit dem Kernpolyeder-Virus unter Freilandbedingungen Wirkungsgrade zwischen 68,9 und 100 % erreicht werden. Bei den als Standard mitgeführten chemischen Insektiziden lagen die entsprechenden Werte zwischen 69,6 und 87,5 %. In allen Versuchen erwiesen sich die Viren den als Standard mitgeführten chemischen Insektiziden als gleichwertig.

Allerdings zeigte sich, dass ähnlich wie bei chemischen Mitteln die Wirkung der Virusmittel nachlassen kann, wenn es zu häufig hintereinander angewendet wird oder andere Faktoren zu einer Resistenz führen.

 

Pheromone

Der einbindige Traubenwickler, Eupoecilia ambiguella, ist nach wie vor ein Schlüsselschädling im europäischen Weinbau. Eine Bekämpfung des Traubenwicklers ist meist unerlässlich. Diese erfolgt üblicherweise durch den Einsatz von Insektiziden. Mit der Aufklärung und Synthese des Sexualduftstoffes des Traubenwicklers wurde die Möglichkeit eröffnet, ein umweltfreundliches biotechnisches Verfahren zu erproben: die Paarungsstörung. Hierzu werden in den Weinbergen synthetische Pheromonquellen ausgebracht, die in Konkurrenz zu den Lockstoff abgebenden Weibchen stehen. Die Geruchswahrnehmung der männlichen Falter wird durch die permanente Pheromonabgabe aus den künstlichen Quellen derart gestört, dass sie die Weibchen nicht mehr gezielt anfliegen und somit auch nicht begatten können. Bei einer weitflächigen Verwirrung und richtigen Voraussetzungen sind hohe Wirkungsgrade erreichbar.

 

Mikrobiell erzeugte Substanzen

Bei Spinosad handelt es sich um ein Stoffwechselprodukt des Bodenbakteriums Saccharopolyspora spinosa, das durch aerobe Fermentation gewonnen wird. Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff sind in Deutschland bisher im Weinbau, bei Zierpflanzen und im Gemüse und Kartoffelbau gegen verschiedene Schadinsekten zugelassen. Spinosad wirkt als Fraß- und Kontaktgift. Eine erfolgreiche Regulierung von Junglarven des Kartoffelkäfers erzielte bereits die einmalige Anwendung von Spinosad mit einem Wirkungsgrad von 82 %. Die Anwendung von Spinosad verursachte zudem sehr niedrige Kosten von etwa 36 € / ha (16 € Maschinen- und Ausbringungskosten, 20 € Pflanzenschutzmittel).

Allerdings ist Spinosad als bienengefährlich (B1) eingestuft. Es ist giftig für Algen, Fische und sehr giftig für Wasserorganismen. Seine Anwendung kann in Gewässern längerfristige schädliche Auswirkungen haben. 

 

Fazit

Mit biologischen Pflanzenschutzverfahren können Schädlinge umweltschonend bekämpft werden. Die biologischen Präparate können teilweise an den Wirkungsgrad von chemischen Pflanzenschutzmitteln herankommen, allerdings entfalten sie ihre volle Wirkung nur im Verbund mit vorbeugenden Maßnahmen im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes. 

Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Zustand des Bodens. Mit steigender Bodengesundheit sinkt tendenziell der Bedarf an Pflanzenschutzmitteln, sodass mittelfristig ein Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz durch Methoden der regenerativen Landwirtschaft möglich sein könnte. In Problemfällen könnten dann als Ultima Ratio biologische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen.

Biologische Verfahren zeichnen sich grundsätzlich durch hohe Spezifität für den Zielorganismus aus. Hieraus resultiert ein hoher Anwender- und Verbraucherschutz. Unter ökologischen Gesichtspunkten sind biologische Verfahren besonders umweltfreundlich, da sie keine oder nur minimale Auswirkungen auf Nichtzielorganismen haben.

In der Praxis stehen der verbreiteten Anwendung biologischer Pflanzenschutzverfahren verschiedene Hemmnisse entgegen. Dazu zählen die große Zahl an Pflanzen- und Schädlingsarten, neu eingeschleppte Schaderreger, eine häufig nur schwer abzuschätzende Wirksamkeit der Bekämpfungsverfahren und der höhere Beratungsbedarf biologischer im Vergleich zu chemischen Verfahren.
Trotzdem wird in Zukunft der Einsatz von biologischen Pflanzenschutzmitteln steigen, denn sowohl Politik als auch viele Verbraucher fordern eine deutliche Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes.