Alternative Saatgutbehandlung mit Heißdampf

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Im konventionellen Sektor wird Saatgut proaktiv mit chemisch-synthetischen Mitteln behandelt. Dabei werden Pflanzenschutzmittel oder wurzelsystemische Präparate eingesetzt, die Schäden an der Pflanze verhindern und bodenbrütende Krankheiten abwehren. Dadurch ist der Keimling in seiner frühen Wachstumsphase geschützt und es wird eine höhere Ertragsstabilität erzielt. Allerdings werden durch die systemische Wirkung die Wirkstoffe auch in neue Pflanzenteile transportiert oder an den Boden abgeben. Untersuchungen der Universität für Bodenkultur in Wien konnten zeigen, dass wichtige Destruenten im Boden wie der Regenwurm oder Springschwänze durch den Einsatz von chemisch gebeiztem Saatgut in ihrer Aktivität gestört werden. Die Folge war ein verminderter Abbau organischer Substanz und ein beeinträchtigter Humusaufbau. Der steigende Druck, chemische Mittel zum Wohle der Umwelt in der Landwirtschaft zu reduzieren und immer strengere Auflagen haben dazu geführt, dass alternative Saatgutbehandlungen wie die Elektronenbehandlung, der Einsatz von Biostimulanzien, biologische Verfahren und thermische Saatgutbehandlungen mit Heißwasser oder Dampf vermehrt in den Fokus rücken.

 

Thermische Saatgutbehandlung: eine wiederentdeckte Alternative  

 

Die thermische Behandlung von Pflanzen hat eine lange Geschichte. Bereits vor über hundert Jahren wurde die Wirkung von Hitze auf pathogene Organismen in Weizen und Gerste untersucht. Seitdem sind Wirksamkeit und Effizienz dieses Verfahrens bekannt. Trotzdem fand es in der Vergangenheit kaum Anwendung, da günstige chemisch-synthetische Beizen zur Verfügung standen. 

 

Saatgutdesinfektion durch Dampfpasteurisierung

 

Bei dieser Form der Saatgutbehandlung handelt es sich um eine effektive Methode, Krankheiten, die sich auf der Oberfläche des Korns befinden, zu bekämpfen. Das Saatgut wird dabei für 90 bis 120 Sekunden 60 bis 70 °C heißem Wasserdampf ausgesetzt. Dadurch wird Staub entfernt und Pilzsporen abgetötet, ohne dass die Keimfähigkeit des Saatguts beeinträchtigt wird. Anschließend folgt eine Trocknung mittels warmer Luft. Im Vergleich zu anderen thermischen Methoden ist der Energieaufwand geringer, da das Saatgut weniger Wasser aufnimmt und das Verfahren schnell abläuft. 

 

Reduktion der Umweltbelastungen 

 

In einer Studie von Agroscope, dem schweizerischen Zentrum für Agrarforschung, wurden die Auswirkungen der thermischen Saatgutbehandlung mit Dampf auf verschiedene Pflanzenkrankheiten wie Schneeschimmel, Steinbrand und Flugbrand untersucht. Im Labor wurde die Keimfähigkeit und die Gesundheit der Samen nach der Behandlung analysiert.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Dampfbehandlung gegenüber anderen Methoden viele Vorteile hat. Dazu gehören die kurze Behandlungszeit, niedrige Kosten und die Wirksamkeit gegen Krankheiten, die sich auf der Oberfläche des Samens befinden. 

Thermische Saatgutbehandlung bietet eine Alternative, die durch den Verzicht auf Chemikalien die Umweltbelastung reduziert. Sie gewährleistet eine sichere Arbeitsumgebung, da der bei der Behandlung freigesetzte Staub nicht belastet ist. Auch die Lebensmittelsicherheit wird erhöht, da keine chemischen Rückstände im Saatgut verbleiben. Die Restmengen können bedenkenlos als Futter- oder Lebensmittel weiterverwendet werden. Darüber hinaus ermöglicht die thermische Beize auch eine wirksame Behandlung bei einem Befall von Vorratsschädlingen wie dem Weizenkäfer. EU-Richtlinien zum integrierten Pflanzenschutz (IPM) werden erfüllt und das Verfahren ist für die biologische Landwirtschaft zulässig. 

 

Nachteile und Herausforderungen 

 

In den letzten Jahren hat die thermische Saatgutbehandlung mit Dampf an Bedeutung gewonnen, weil sie eine natürliche und sichere Methode zur Bekämpfung von Schadorganismen darstellt. Trotz der vielen Vorteile gibt es jedoch einige Einschränkungen, die beachtet werden sollten.

Dazu zählt die Ineffektivität gegenüber Erregern oder Krankheiten im Inneren des Samens, wie zum Beispiel Flugbrand bei Gerste. Ebenso ist die Methode wirkungslos gegen bodenbrütende Krankheiten. Insbesondere bei schwierigen Witterungsbedingungen und einer Vorbelastung der Böden können die Ernten beeinträchtigt werden und zu finanziellen Verlusten führen. Im Vergleich zu synthetisch-chemischen Beizen sind die Kosten für das Saatgut außerdem momentan noch höher.  

 

Fazit und Ausblick

 

Trotz der Einschränkungen bleibt die thermische Saatgutbehandlung eine vielversprechende Methode, die mithilfe weiterer Untersuchungen und in Kombination mit anderen Verfahren einen wichtigen Beitrag zu einer umweltschonenden landwirtschaftlichen Praxis beitragen kann. Vor allem in Verbindung mit Methoden der Regenerativen Landwirtschaft und dem Aufbau eines gesunden, widerstandsfähigen Bodens kann der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln auf Dauer reduziert werden.